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Dezember 2002
[Inhaltsverzeichnis]
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Von Tom Nadeau © Dezember 2002, Übersetzung: Philhard Ackermann |
Warpstock 2002 in Austin, Texas, USA im vorigen Monat war erneut ein Beispiel dafür, wie es in den Bereichen Qualität und Fortschritt ständig vorangeht - trotz der monopolistischen Bedingungen auf dem PC-Markt. Über 150 Unbeirrbare besuchten 2 Dutzend Seminare, die sich mit den unterschiedlichsten Themen befaßten - von der Programmierung von Einheitentreibern über Breitband-Internetzugang bis hin zu Kompatibilität von PC-Hardware. Durch die direkte Nähe zu IBMs weltbekanntem Austin-Labor wurde es bei WS2002 möglich, einen detaillierten Insiderblick auf die Entwicklungen im Bereich der weitestentwickelten und ausgereiftesten PC-Plattform, die uns heutzutage zur Verfügung steht, zu erhaschen.
Oliver Mark von IBM hielt einen umfassenden Vortrag über IBM-unterstützte Desktop-, Notebook- und Server-PCs. Die NetVista-Desktopreihen 41 und 42 geniessen offizielle OS/2-Unterstützung, ebenso wie die Thinkpad-Modelle der T-Baureihe sowie die eServer der X-Serie. Die beiden zu bewältigen Hauptprobleme betreffen üblicherweise die Treiber für die Soundausstattung sowie die sogenannten Winmodems. Obwohl die Thinkpad-Modelle der Baureihen X, R und A nicht 'offiziell' unterstützt werden, lassen sie sich dennoch zumeist in ausreichendem Maße mit OS/2 nutzen. Weitere Features dieser Baureihen, allerdings ohne OS/2-Unterstützung, sind solche wie Bluetooth, Firewire und Funk-LAN-Konnektivität. Laut IBM existiert für deren Unterstützung noch keine 'kritische Masse' an Geschäftskunden, die diese Funktionen nachfragen würden.
In Wirklichkeit dürften viele große Unternehmen das Vorhandensein einer Plattform mit einem streng kontrollierten und eingeschränkten Satz von externen Schnittstellen durchaus zu schätzen wissen. Bei all den Sicherheitsproblemen, Softwarelizenzdiskussionen und Abschottungsbestrebungen kämpfen viele Großunternehmen eher damit, Konnektivität zu steuern anstatt ständig zu erweitern. Wieder einmal wird klar ersichtlich, daß der einzelne Desktop-OS/2-Nutzer nicht im zentralen Blickfeld von IBMs Unterstützungsphilosophie steht.
IBM verspricht, mit OS/2 weiterzumachen, und es um einige der heute gängigen Standards wie USB, UDF, IDE, SCSI, AC97-Sound-Codecs und andere Einheitentreiber für Standardhardware zu erweitern, jedenfalls für 'ausgewählte' mobile, Desktop- und Serversysteme. Eine universelle Soundtreiber-Basis befindet sich ebenfalls in der Entwicklung - zur Zeit wird hier Unterstützung für Creative Labs CT5880 PCI-Audio sowie ALSA- und Yamaha YMF754-Audiochipsätze geboten. Auf der Serverseite befindet sich ein Rechner des Typs 440X gerade im Labor in Raleigh, NC, USA, um den Einsatz von Connectix Virtual PC zu erproben, wobei durch die Bereitstellung mehrerer simultaner OS/2-VMs (Virtueller Maschinen) eine Serverkonsolidierung für auf OS/2-Server basierenden PC-Netzwerken möglich gemacht werden soll.
Während IBMs Treiberunterstützung von der Herstellerseite her vorangetrieben wird, existiert zusätzlich eine Bewegung zur Treiberentwicklung 'von unten', also ausgehend von Einzelpersonen, angeführt von SpitzenprogrammiererInnen wie Daniela Engert. Danielas Vortrag zum Thema Einheitentreiber befaßte sich mit Themen wie Dokumentation und Ausgabe von Meldungen nach erfolgreichem Laden eines Treibers, Methoden der Treiberregistrierung sowie dynamisch gelinktem Programmcode. Sie betonte ausdrücklich, daß man zur Ladezeit keinesfalls irgendwelche Annahmen über die momentanen Laufzeitumgebung machen dürfe, und daß man genau auf jede veränderliche Eigenschaft der Umgebung achten müsse, wenn man statt in C in Assembler programmiert. Des weiteren offenbarte sie einige undokumentierte OS/2-Eigenschaften im Bereich der Treiberprogrammierung.
IBM bot uns die 'Insidersicht' bezüglich der Frage nach dem Unterschied zwischen dem IBM Web Browser oder IWB ("für den geschäftlichen Einsatz zertifiziert") und dem Mozilla Open-Source-Browser für OS/2 ("Roh- oder nichtzertifizierte Version"). Bezüglich der Entwicklungsumgebung hat man sich für den Visual Age 3.65-Compiler entschieden. IBM nimmt üblicherweise eine Meilenstein-Version von Mozilla/2, überprüft den Code auf Stabilität und Sicherheit, fügt ein Rechtschreibprüfungsprogramm hinzu und gibt das ganze als die neueste Version von IWB heraus. Das Rechtschreibprüfungsprogramm ist nicht Public Domain, deshalb steht es nur lizensierten IWB-Anwendern (Software Choice beispielsweise) zur Verfügung. Das ganze ist ein vorbildliches Beispiel dafür, wie IBM den Löwenanteil an Entwicklung durch die Open-Source-Gemeinde erledigen läßt, um daraus dann eine 'geprüfte' Version für die eigenen Kunden anbieten zu können. Erweiterungen für die Unicodeunterstützung sowie drag&drop sind derzeit in Vorbereitung. Ein wichtiger Hinweis war noch, daß man IWB nicht über eine ältere Mozillainstallation einspielen soll - jedenfalls muß das Verzeichnis "Components" vorher entfernt werden. In Kürze soll es eine automatische Installations-/Deinstallationsroutine geben, die die IWB-Installation vereinfachen wird.
Greg Shah von Golden Code präsentierte das neue, Multi-User- und Account-basierte Tool namens "Sesame". Dieses Programm fängt alle wichtigen Tastendrucke einschließlich Strg-Alt-Entf ab und bietet individuellen Zugriff auf Basis verschiedener Kennwortebenen. Statt jedoch einfach nur Tastendrucke auszuwerten arbeitet es auf einer tieferen, systembefehlorientierten Ebene. Anders ausgedrückt : ich könnte mir zwar eine .CMD-Datei erstellen, um Funktionen zu erhalten, auf die ich sonst nicht zugreifen dürfte, und diese mit einem unverfänglichen Namen versehen und aufrufen, aber Sesame würde sich davon nicht hinters Licht führen lassen. Ich könnte den Befehl 'chkdsk' umbenennen und stattdessen ein selbstgeschriebenes schädliches Programm aufrufen, aber Sesame würde sich auch davon nicht übertölpeln lassen. Gleichzeitiger Multiuserzugriff wird bereits geboten, aber eine Sicherheit gegen Startdisketten steht noch nicht zur Verfügung. Diese und viele andere Funktionen sind gerade in Arbeit; Sesame wird aufgrund der hohen Anforderungen durch Golden Codes geschäftliche Kundenschar auch zukünftig weiterentwickelt werden.
Der Höhepunkt der Veranstaltung war die Vorabversion von eComStation 1.1 von Serenity Systems. Die neue eCS beinhaltet eine drastisch verbesserte Installationsroutine, die durch Verwendung konservativerer Voreinstallungen speziell darauf getrimmt wurde, eine saubere Installation auf einer breiteren Rechnerbasis ermöglichen zu können. Eine Demoversion auf der Basis einer frei verfügbaren eCS-Demo-CD wurde gezeigt - diese lädt eCS in eine RAM-Disk und kommt ohne Zugriff auf die Festplatte aus, was es jedem PC-Anwender erlaubt, die Spitzenperformance und -stabilität von OS/2 zu erfahren, ohne seine Festplatte formatieren und das System installieren zu müssen. Also wirklich ein 'unverbindlicher Test vor dem Kauf'! Die Demo bot sogar Internetzugang direkt von der CD aus! Die Freigabe der Vollversion von eCS 1.1 wird noch in diesem Monat erwartet.
Viele weitere Präsentationen wurden angeboten, aber ich konnte sie nicht alle besuchen. Die wohl vielsagendste Begebenheit fand während einer Vorführung zum Fernstarten von eCS-Systemen statt, als der Windoof2000-Teil der Vorführung für einen Absturz des Videoprojektors sorgte. Das OS/2-System lief weiter, ganz wie gewohnt.
So ist das Leben halt für diejenigen von uns, die die weise Entscheidung getroffen haben, sich jenseits der lähmenden, unnötig aufgeblähten Welt monopolisierter Software zu begeben. OS/2 Warp und sein Cousin eCS bewegen sich weiterhin auf dem Pfad der Innovation, des Fortschritts und der Zuverlässigkeit. IBM leistet die Schwerstarbeit, während unsere Rechner immer besser werden.
Daten und Quellen:
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