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März 2002
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Ein Editorial von Christian Hennecke, Herausgeber des VOICE Newsletter.
Vor etwas mehr als einem Monat wurde die deutsche eComStation GA nach vielen Verzögerungen endlich ausgeliefert und viele erfahrene OS/2-Anwender haben seitdem ihre Erfahrungen mit dem neuen Produkt, dem Vertrieb und dem Hersteller gemacht und sich eine Meinung gebildet. Oftmals keine allzu gute.
Den vielen Meinungen, die ich Onlineforen entnommen habe und die mir in persönlichen Gesprächen mitgeteilt wurden, sind bestimmte Zustandsbezeichnungen und Objekte des Mißfallens auffallend gemeinsam: "ein Witz", "Unverschämtheit", "zusammengewürfelt", "chaotisch", "überfordert", "haben sich übernommen", "dilettantisch", "Beta", "lächerlich", "unprofessionell", "nicht vertrauenswürdig". Auf der positiven Seite findet man: "stabil", "hübsch", "schneller", "sein Geld wert".
Wie kommt es nun zu diesen, im Vergleich widersprüchlich erscheinenden, Positionen? Dazu ist es notwendig, sich zu verdeutlichen, worauf sich die einzelnen Äußerungen beziehen.
Betrachtet man die positiven Eindrücke, so wird schnell klar, daß viele von OS/2-Eigenschaften herrühren: Stabilität ist ein OS/2-Merkmal und hat damit, ebenso wie die bessere Reaktionszeit der WPS, die Anwender seit der Codeverschmelzung mit Warp Server zunehmend bemerken, auch Eingang in eComStation gefunden. Auch die optische Aktualisierung hat viel Anklang gefunden. Das Urteil, eComStation sei das angelegte Geld wert, wird bei Nachfrage mit Neuerungen wie JFS, TCP/IP 4.3, oder Java 1.3, der Verfügbarkeit aktueller Treiber und im besonderen der mitgelieferten zusätzlichen Software wie Lotus SmartSuite begründet.
Großes Mißfallen erregen andere Dinge. Dazu gehört besonders die unübersichtliche Installation, die das Prädikat "ein Witz" erhielt. Den meisten war vorher klar, daß die Installation der Netzwerkkomponenten nach wie vor ein großes Problem darstellt (was von Serenity Systems auch nie verheimlicht worden ist) und sie ließen entsprechende Vorsicht walten. Leider blieb es jedoch nicht dabei und durch die Verwendung des IBM-Installationsprogrammes z.B. für die Multimediakomponenten wurden viele doch extrem verwirrt. Man fragt sich, wie die Anwender in den USA und Kanada, die nur ein zweiseitiges Blatt mit Hinweisen erhielten, es geschafft haben, eComStation zu installieren. Aber gerade bei dieser Stelle hilft auch das gedruckte Handbuch der deutschen Version nicht viel weiter. Nebulös wird festgestellt, daß etwa 90 Prozent der selektierbaren Funktionen, "wie z.B. Spiele, Win/eCS, MDOS", zu diesem Zeitpunkt bereits installiert seien. Es bleibt unklar, welche eventuell wichtigen Dinge fehlen, und der Neuling wird mit unbekannten Begriffen konfrontiert. Dieser Teil scheint auch die nach wie vor auftretenden Probleme mit dem Scitech Display Doctor zu verursachen.
Ein weiterer Hauptangriffspunkt der Kritik ist WiseMachine. Die Instabilität der mit der GA gelieferten Version konnte durch einen mittlerweile verfügbaren Fix weitgehend behoben werden. Die neue Version glänzt dafür mit einem Erläuterungsfeld, dessen Inhalt nicht gelesen werden kann, da er beim Loslassen des Scrollbalkens sofort auf den Anfang zurückspringt. Was nicht behoben wurde, ist das Nichterscheinen von Applikationsgruppen nach dem Start des Programms. Dagegen hilft nur ständiges Aktualisieren des linken Fensterteiles. Was schwerer wiegt, ist jedoch die fehlende Dokumentation der mit ausgelieferten Basispakete. Kaum jemandem ist klar, wie man mit BooteCS eine Wartungspartition anlegen kann. Zudem schlägt der richtig durchgeführte Versuch dann oft trotzdem fehl, da nur sehr wenige der möglichen Kombinationen von Einstellungen funktionieren. Ebensowenig ist dokumentiert, was das unter Umständen sehr wichtige "PeerWPSFixUp" erreichen und von wo es installiert werden soll. Das größte Problem stellen jedoch Inkompatibilitäten mit ObjectREXX dar, die Wisemachine für dessen Anwender in vielen Fällen nutzlos macht. Man kann wohl kaum erwarten, daß dieser Personenkreis vor und nach jeder Installation die REXX-Version wechselt und den Rechner neu startet. So gibt denn der Systembestandteil, der eComStation von anderen Systemen abheben soll, für viele ein schwaches Bild ab.
Eine weitere Quelle des Ärgers ist die Dialog Enhancer-Komponente. Nicht nur hat sie zu einer Änderung der Sprachversion mancher Programme geführt, es haben sich auch Änderungen als inkompatibel erwiesen und z.B. zu eingeschränkter Funktionalität des Datei öffnen-Dialoges sowie zum Nichtfunktionieren der Netzwerknachrichtendienste geführt. Besonders unangenehm fällt dabei auf, daß für zumindest einige dieser Probleme seit geraumer Zeit (Ende 2001) ein Bugfix für die englische Version erhältlich ist, für die deutsche jedoch nicht.
Dagegen mutet es gering an, daß nach der Installation des Fixpaks die Systempartition nicht aufgeräumt wird. Leider weiß man jedoch nicht, welche Dateien man löschen und bei welchen dies zu Problemen bei zukünftigen Fixpakinstallationen führen kann.
All dies läßt den Eindruck einer Beta- und nicht einer GA-Version entstehen. Statt eines Produktes aus einem Guß erhält der Anwender Flickwerk aus zusammengewürfelten Teilen. Die mir am meisten dazu gestellten Fragen sind: "Was haben die Leute eigentlich in den letzten eineinhalb Jahren gemacht?" und "Will Serenity Systems für das Update auf Version 1.1 etwa auch noch Geld sehen?"
Die Informationspolitik und das Geschäftsgebahren des Vertriebs und teilweise des Herstellers waren und sind dabei leider nicht geeignet, diesem Eindruck der Unprofessionalität entgegenzuwirken. Liefertermine verstrichen mehrmals ohne Angabe von Gründen. Die nach wiederholten Anmahnungen von Mensys versprochenen Mitteilungen zum Produktstatus wurden nach kurzer Zeit wieder eingestellt. Dies hat bei vielen das Gefühl erzeugt, als Kunde nicht ernst genommen zu werden. Vervollständigt wird das Bild durch Serenity Systems' Produktwebsite www.ecomstation.com. Wenn auf der Homepage eines Produktes, über das vom Hersteller gesagt wird "It's about Mobile Managed Clients", beispielsweise beim Aufruf der Support- und FAQ-Sektion "Networking" (Vernetzung) immer noch nur ein "Under construction" (im Aufbau) auftaucht, erscheint dies in der Tat "lächerlich" und "dilettantisch". Zum Bild tragen auch relative Kleinigkeiten wie die angebotenen Updates bei, deren Installation teilweise zu einer Änderung des Aufbaus der Arbeitsoberfläche führt, was durch kleine Zusatzskripte leicht zu verhindern wäre. Viele können sich infolgedessen des Eindrucks nicht erwehren, daß Serenity Systems und Partner mit der Umsetzung ihres Konzeptes überfordert sind.
Dieses Gesamtbild des Produktes eComStation ist besonders im Lichte seiner Positionierung durch den Hersteller gefährlich. Denn Serenity Systems vermarktet eComStation nicht als aufgepepptes OS/2 mit vielen angenehmen Dreingaben, sondern als eigenständiges, neues Produkt. Die eigentliche Zielgruppe sind nicht eingeschworene, langjährige OS/2-Anwender, sondern kleine bis mittlere Unternehmen, deren Geduldsfaden erheblich schneller reißen dürfte. Aber auch sehr viele OS/2-Anwender hier sind an der Grenze dessen, was sie zu tolerieren bereit sind, angelangt und die ersten haben sie bereits überschritten und eComStation den Rücken gekehrt. Für Serenity Systems und Partner gibt es also beim Support, im Hinblick auf Version 1.1 und besonders bei der Kommunikation mit den Kunden eine Menge zu verbessern. Dabei werden sie unter scharfer Beobachtung stehen und jeder weitere Fehler kann das Aus für eComStation in Deutschland bedeuten. Ich hoffe inständig, daß es nicht dazu kommt. Besonders nicht aus solchen Gründen.
Neues vom VOICE Newsletter: Die geplante neue Seite, auf der Freeware-Autoren und OS/2-Anwender gratis Kleinanzeigen schalten können werden, wird nun in Kürze Teil der VOICE Homepage. Wenn Sie an diesem Konzept interessiert sind, senden Sie eine Nachricht an ads@os2voice.org.
Wir sind wie immer an Ihren Gedanken und Ansichten zu OS/2-bezogenen Themen interessiert und sehen genauso gerne Essays wie Hardware- und Softwarebesprechungen oder Anleitungen. Wenn Sie mit einem eigenen Artikel helfen können, nehmen Sie bitte über editor@os2voice.org Kontakt zu mir auf. Die Seite Richtlinien für Beiträge zum VOICE Newsletter wurde um einige Vorschläge für Artikel erweitert. Werfen Sie einmal einen Blick darauf; vielleicht können Sie uns ja bald mit einem Artikel versorgen. Einige Leute haben herausgefunden, daß es ihnen Spaß macht, ihre Erfahrungen mit OS/2 mit anderen zu teilen. :-)
Warp Doctor: Haben Sie Vorschläge zu Warp Doctor? Sie können Ihre Kommentare direkt an den Warp Doctor Webmaster Jeremy unter rs@fyrelizard.com schicken. Oder nehmen Sie noch besser an einem der Treffen des Warp Doctor-Teams teil, die wöchentlich im IRC im Kanal #warpdoctor stattfinden.
Um das Projekt voranzutreiben, brauchen wir jedermanns Hilfe. Das Team trifft sich Sonntags um 23:00 Uhr MEZ im Kanal #warpdoctor des WEBBnet. Weitere Informationen bezüglich der Teilnahme an Warp Doctor IRC-Treffen entnehmen Sie bitte der Seite http://de.os2voice.org/meetinginfo.html.
VOICE Online Update: Diesen Monat sind allgemeine Mitgliedertreffen für den 4. und 18. März um 02:00 MEZ angesetzt. Alle, die an OS/2 oder eComStation interessiert sind, sind zu diesen Sitzungen eingeladen. Weitere Informationen bezüglich der Teilnahme an online VOICE IRC-Treffen entnehmen Sie bitte der Seite http://de.os2voice.org/meetinginfo.html.
Wenn Sie eine Idee für eine Speakup-Veranstaltung haben, senden Sie diese bitte an liaison@os2voice.org, und wir werden versuchen, etwas auf die Beine zu stellen. Vergessen Sie nicht, den aktuellen VOICE Veranstaltungskalender in diesem Newsletter oder auf der VOICE Website unter http://de.os2voice.org/calendar.html anzuschauen, um mehr über zukünftige VOICE-Veranstaltungen zu erfahren.
Diesen Monat starten wir mit Julien Pierres Bericht über die Odyssee, die er beim Versuch erlebte, OS/2 SMP auf einem Dual-Athlon-PC zu betreiben. Es zeigt sich wieder einmal, daß die Hardwareindustrie gerne noch nicht ausgereifte Produkte auf den Markt wirft.
In TCP/IP-Ports verstehen erklärt Peter Moylan Netzwerkkonzepte und erläutert potentielle Probleme bei der Benutzung des File Transfer Protocols (FTP) mit Firewalls. Dies ist sowohl für Anwender von FTP-Klienten als auch Servern interessant.
Das neueste auf dem Markt ist nicht zwangsläufig auch das beste. Besonders auf dem Computermarkt. Thomas Klein tut seine Meinung dazu in seinem Artikel Ich liebe "altes Zeug"... und eBay kund und gibt ein paar Beispiele für echte Schnäppchen und Problemfälle.
Nach dem letztmonatigen Artikel zu MP3-Encodern beschäftigt sich Don Eitner diesen Monat mit den passenden Abspielprogrammen. Erfahren Sie etwas über interessante Neuentwicklungen in Keeping up with the Gates - Teil 2: MP3-Spieler für OS/2.
Auch wenn die Entwicklung der IDE-Schnittstelle in den letzten Jahren stark fortgeschritten ist, schwören bei anspruchsvollen Aufgaben immer noch viele auf SCSI. Wenn Sie immer schon einmal wissen wollten, warum das so ist und worum es sich bei SCSI eigentlich handelt, lesen Sie Eric Baerwaldts SCSI-Workshop - Teil 1: Grundlagen.
Wie Sie dem Editorial der letzten Ausgabe entnehmen konnten, gibt es seit langem Quereleien in den internationalen Newsgruppen bezüglich eComStation. David Lewis hat die anhaltenden Grabenkämpfe zum Anlaß genommen, dort eine Umfrage durchzuführen, um endlich Klarheit darüber zu erhalten, wie die Meinungen wirklich verteilt sind. Die Auswertung der Umfrage brachte recht deutliche Ergebnisse und förderte ein paar überraschende Fakten zutage. Mehr erfahren Sie in Ergebnisse der OS/2-Umfrage im Usenet.
Schließlich gibt es wie immer die OS/2 Tips Seite und Leserbriefe, Addenda, Errata. Wenn Sie irgendwelche Tips zu OS/2 oder eCS entdeckt haben, senden Sie diese bitte an tips@os2voice.org. Wenn Sie irgendwelche Kommentare oder Vorschläge den Newsletter oder die Artikel darin betreffend abgeben möchten, senden Sie diese bitte an editor@os2voice.org.
Das wäre es für diesen Monat. Im April werden Sie voraussichtlich den zweiten Teil von Eric Baerwaldts Artikel zu SCSI lesen können, sowie eine weitere Übersicht zu neuer Software von Frank Berke. Außerdem gibt Thomas Klein Tips für die Suche nach Treibern und Informationen über Hardware und Walter Metcalf stellt die neue Version 3.0 von CDS' BackAgain/2000 vor. Für die nähere Zukunft steht zudem ein Artikel zur Nutzung der in TCP/IP ab Version 4.1 enthaltenen Firewall für Interneteinwählzugänge von Christian Hennecke an.
Mark Dodel und Christian Hennecke
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