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Mai 2002

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Warum ich bei OS/2 bleibe?

Von Don Eitner © Mai 2002, Übersetzung: Philhard Ackermann

Die Workplace Shell, seit 1992 die grafische Benutzeroberfläche von OS/2.

Kein anderes Betriebssystem, nicht einmal Windows XP oder RedHat Linux 7.2, kann mithalten, wenn ich Referenzen auf der Arbeitsoberfläche erstelle (ähnlich den, aber wesentlich brauchbarer als die von Windows verwendeten Verknüpfungen), die genau so real sind, wie die Dateien, die sie repräsentieren. Die einzige Ausnahme besteht darin, daß ich eine Referenz löschen kann, ohne die Originaldatei- oder das Originalprogrammobjekt zu löschen. Ich kann die Originaldatei umbenennen, indem ich irgendeine ihrer Referenzen umbenenne, sie sind nicht nur leere Hüllen mit eigener Namensanzeige und eigenen Eigenschaften. Eine Datei oder ein Programmobjekt kann beliebig viele Referenzen haben, und sie alle sind genauso funktional wie das Original selbst. Stellen Sie sie in den Laufwerksordner, ziehen Sie sie auf die Klickstartleiste, um sie mit einem einzelnen Mausklick starten zu können oder verschieben Sie sie in jeden beliebigen Ordner der Arbeitsoberfläche, wenn Sie das möchten.

Und die Klickstartleiste - ich weiß nicht, ob ich ohne sie leben könnte. Eingeführt mit Warp 3 und beibehalten (obwohl standardmäßig versteckt) in Warp 4 ist die Klickstartleiste ein einfacher 'Balken', der sich automatisch verbreitert, wenn man neue Objekte darauf zieht und der für weniger oft benutzte Objekte zusätzliche ausfahrbare 'Schubladen' bietet. All diese Objekte sind Referenzen (siehe oben) und können sowohl Ordner als auch Programmobjekte oder Dateiobjekte sein. Die einfachste und schnellste Methode, um mit einfachem Mausklick Zugang zu allen Funktionen der Arbeitsoberfläche Ihres Systems zu erhalten, oder einfach nur zu denen, die Sie die ganze Zeit benutzen. Hier ist eine Abblidung der Klickstartleiste, wie sie mit eComStation ausgeliefert wird.

The OS/2 Launchpad

Um die Klickstartleiste bei jedem Systemstart automatisch aufrufen zu lassen, muß man in der CONFIG.SYS lediglich ein einzelnes Wort hinzufügen, und zwar folgendermaßen -- man findet dort eine Zeile die mit

SET AUTOSTART=
anfängt, und darin ein paar Einträge wie TASKLIST, CONNECTIONS, FOLDERS usw. Man fügt am Zeilenende einfach folgendes hinzu:
,TOOLBAR
Als Alternative finden Sie ein Klickstartleistenobjekt in Ihrem Ordner System (Ordner eComStation bei eComStation). Bringen Sie dieses per drag&drop in den Systemstartordner, auch zu finden im Systemordner.

Die Dateisysteme

OS/2 bietet eine große Vielfalt von Dateisystemen zur Speicherung meiner Daten und Programme auf der Festplatte. Mit eComStation 1.0 (basierend auf IBMs OS/2 "MCP" Warp 4.51) stehen mir von vorn herein das alte, von DOS stammende FAT-Dateisystem, das alte HPFS-Dateisystem sowie das neue, plattformübergreifende JFS-Dateisystem zur Verfügung. JFS wurde, wie manche von Ihnen wissen dürften, ursprünglich für IBMs Highgrade-Serverbetriebssystem AIX entwickelt und später nach OS/2 portiert. Danach würde es als Open Source als Quelltext veröffentlicht und nach Linux und anderen Betriebssystemen portiert.

Zusätzlich verwende ich Henk Kelders FAT32-Dateisystemtreiber für OS/2. Dieser stellt mir die volle Kompatibilität zu den bei Windows 95b, 98 und ME verwendeten Dateisystemen zur Verfügung und ist deutlich besser als das verwundbare alte FAT-Dateisystem aus den Tagen des DOS-Betriebssystems - natürlich sind HPFS und JFS um Welten besser als FAT32, aber zum Datenaustausch mit Windows ist FAT32 momentan die beste Option. Unter OS/2 unterstützt FAT32 sogar die erweiterten Dateisystemattribute (eine Einrichtung, die HPFS und JFS gemein haben) und wird damit sogar brauchbarer als unter Windows, wo EAs unbekannt sind.

Es existieren zudem Treiber für ext2fs von Linux und NTFS von Windows NT, aber die sind mittlerweile mehrere Jahre alt und haben das Betastadium niemals verlassen.

Softwarekompatibilität

Obwohl ich DOS- oder Windows 3.1-Programme kaum noch einsetze, mache ich hier einige erwähnenswerte Ausnahmen. WordPerfect Office 7 für Windows 3.1 läuft sehr gut unter OS/2, und da sich das WordPerfect-Dateiformat zwischen Version 7 und Version 10 (WordPerfect 2002) nicht verändert hat, kann dieses Programm für alle Textverarbeitungsaufgaben äußerst nützlich sein, seien es einfache Texte oder komplexe Dokumente, in denen Text, Tabellen, Vektorgrafiken und Diagramme usw. vereint sind.

Außerdem bietet OS/2 eine recht gute Win32-Unterstützung, um Programme, die für Windows 95 und spätere Versionen entwickelt wurden, ablaufen zu lassen. Das Projekt Odin (http://odin.netlabs.org/) wird wohl nicht jedes beliebige Windowsprogramm zum Laufen bringen und sicherlich nicht annähernd die Hälfte davon so gut, wie sie unter Windows 98 laufen würden, kommt jedoch mit vielen einfacheren Programmen sehr ordentlich zurecht. Ich nutze Odin für RealPlayer 8, HJSplit (ein Dateizerlegungs- und Zusammenfügungsprogramm, mit dem große Dateien in kleine Häppchen zerteilt werden können, um diese einfacher sichern oder versenden zu können), AOL Instant Messenger 4.3 sowie um OpenOffice 6, die Open Source-Version von Suns StarOffice 6, nutzen zu können. Ja, wirklich: das komplette für Windows 95 entwickelte Paket läßt sich mit Odin unter OS/2 installieren und betreiben. Genau wie die WordPerfect Suite 7 bietet es hervorragende Produktivität im Bereich Büroanwendungen, ist aber gleichzeitig auf der Höhe der Zeit und beinhaltet Ein- und Ausgabefilter für Dokumente der Formate MS Word, Excel und PowerPoint 6, 7 und 2000.

Und natürlich native OS/2-Software - oftmals völlig konkurrenzlos. Wenn ein Programm so entwickelt wird, daß es die ausgezeichneten Möglichkeiten der OS/2-Architektur (einschließlich der WPS und der erweiterten Dateisystemattribute) ausnutzt, dann wird sich schwerlich ein besseres Prgramm für Windows, Linux oder Macintosh auftreiben lassen. Mein Lieblingsbeispiel ist PMView (http://www.pmview.com/), ein mächtiger Grafikbetrachter und Formatkonvertierer, der sowohl für OS/2 als auch für Windows erhältlich ist. Unter OS/2 hat man die komplette drag&drop-Funktionalität, um beispielsweise Grafiken aus dem aktuellen Verzeichnis in ein anderes Verzeichnis auf einem anderen Laufwerk zu verschieben. Zudem werden Vorschausymbole (kleinere 'Beispieldarstellungen' der in voller Größe in Ihren Verzeichnissen vorhandenen Grafikdateien) als erweiterte Attribute im Dateisystem abgelegt, was der Windows-Version nicht möglich ist.  Unter Windows muß das Programm diese Vorschausymbole jedes mal neu generieren, wenn Sie ein Verzeichnis über den Dialog Datei öffnen anwählen. Das kann eine Menge Zeit in Anspruch nehmen, wenn man 1000 und mehr Grafikdateien in einem einzigen Verzeichnis abgelegt hat.

Stabilität

Microsoft hat im Laufe der letzten Jahre recht gute Arbeit geleistet, um Windows stabiler zu machen, aber selbst Win98SE (aus dem Jahre 1999) hat merkliche Stabilitätsprobleme auf dem PC meiner Mutter, und sie verwendet Ihren PC eigentlich nur für sehr einfache Dinge wie Internetsurfen und E-Mail. Win2K ist deutlich stabiler, aber als es sich beharrlich weigerte, mein externes 56K-Modem zu erkennen (handelsübliches externes Creative Labs ModemBlaster am seriellen Port),  mußte ich feststellen, daß man die Nutzbarkeit der Stabilität geopfert hatte. Ich habe nie erlebt, daß OS/2 bei der Erkennung dieses Modems versagt hätte, denn schließlich und endlich ist es einfach nur ein Modem, zum Geier aber auch! Es benötigt keinen 'Treiber', sondern einfach einen verfügbaren COM-Port und eine Initialisierungssequenz. Das war's auch schon, was unter DOS, Win 3.1 und OS/2 nötig war, aber Win2K versuchte ständig, ihm einen 'Treiber' aufzuzwingen und versagte dabei.

Inzwischen weist auch  mein eComStation-System (OS/2 Warp 4.51) bis auf wenige Ausnahmen die gewohnte Stabilität auf. Meine größten Stabilitätsprobleme resultieren daraus, daß ich gerne jede Menge neue Sachen ausprobiere und Software im Betastadium (also nicht für den produktiven Einsatz gedacht) verwende. Dann und wann führen Fehler in solchen Programmen zu Problemen mit dem System. Manchmal verlange ich etwas von meinem System, für das es nicht ausgelegt ist (wie die Nutzung von Win32-Programmen unter Odin). Odin ist trotz allem immer noch in einer Art Betatestphase, auch wenn es mit den wenigen Win32-Anwendungen, die ich nutze, recht gut zurechtkommt. Manchmal versuchen solche Anwendungen, Funktionen auszuführen, bei denen Odin noch nicht weiß, wie es damit umgehen soll. Beispielsweise läßt sich AIM nicht wirklich beenden, sondern verkleinert sich vielmehr zu einem Symbol in der Windows95-Taskbar. Nun, Odin hat (noch) keine solche Taskbar, und deshalb kann sich das System aufhängen, wenn man den AIM-Prozess nicht unverzüglich nach Beenden des Programms abschießt.

Die wahrscheinlich wichtigste Tatsache dabei ist wohl, daß 90% meiner OS/2-Neustarts nichts mit Stabilität zu tun haben, sondern damit, daß die PM-Eingabeschlange blockiert ist. Ein uraltes Problem, welches IBM niemals lösen wird, weil man davon ausgeht, daß zu viele von IBMs Geschäftskunden Programme einsetzen, die voraussetzen, daß sich der PM genau so verhält, wie er es schon immer getan hat. Der Knackpunkt bei PM-Hängern ist jedoch, daß man nicht notwendigerweise irgendwelche Daten verliert, wenn man das System durchstartet. Der gute alte Affengriff (<Strg-Alt-Entf>) initiiert einen normalen Systemabschluß und startet das System sauber durch, wodurch Ihre Dateisysteme und Daten in geregeltem Zustand bleiben. Ein echtes Stabilitätsproblem führt zu Abstürzen und üblicherweise zu Datenverlust, aber das habe ich unter OS/2 selten erlebt - genau so selten wie unter Win2K. Win98SE andererseits produziert entsetzlich viele Abstürze.

Der Gegenwert

Im Dezember 1995 (als Windows 95 bereits 4 Monate auf dem Markt war) habe ich $79 für OS/2 Warp bezahlt. Bis März 1998 sah ich keine Notwendigkeit für einen Wechsel zu Warp 4, da IBM kostenlose Fixpaks (in der Windowswelt Servicepacks genannt) herausgab, die neue Funktionen bereitstellten und etliche Fehler bereinigten. Außerdem erschien mir die Benutzeroberfläche (die Workplace Shell) derjenigen von Windows 95 um Jahre voraus zu sein. Selbst heute halte ich die WPS für mächtiger und einfacher zu verwenden als die Benutzeroberfläche von Windows 2000, und XP habe ich gar nicht erst ausprobiert, weil es viel zu zeichentrickartig aussieht, as wäre es eher für Grundschulkinder als für professionelle Anwender gedacht. Außerdem habe ich keine Lust, Microsoft wegen des neuen Lizenzmodells jedes vierte oder fünfte mal anrufen zu müssen, wenn ich irgendwelche Einstellungen verändere.

Also rüstete ich im Frühjahr 1998 auf OS/2 Warp 4 auf, nachdem ich ein gebrauchtes Exemplar von jemandem erworben hatte, der zu Windows wechseln wollte. Fixpaks waren erneut kostenlos erhältlich und einfach zu installieren - tatsächlich waren die Installationswerkzeuge über die Jahre hinweg immer mächtiger und die Installation von Fixpaks damit immer einfacher geworden, bis hin zu umfassender Internetunterstüzung des Prozesses (wenigstens ein Jahr bevor Microsoft seine Internetseiten für den Windows-Update eröffnete). Ich blieb bei Warp 4 bis es aufgrund des Zeitbedarfs für die Grund- und Fixpakinstallation einfach nicht mehr ging. Die über die Jahre hinweg angefallenen Fixpacks hatten sich zu einem beachtlichen Stapel summiert, und ich wollte endlich etwas, mit dem man das System einfach auf dem aktuellsten Fixpak-Stand installieren konnte.

Hier trat eComStation auf den Plan (aufbauend auf IBMs "Merlin Convenience Pack"-Version von Warp 4.51, aber vertrieben von Serenity Systems). Bei seinem Erscheinen im Sommer 2001 war es auf der Höhe der Zeit, was Fixpaks und Netzwerk anging und beinhaltete im Installationsumfang zudem die neuesten Versionen von Drittanbietersoftware. Lotus SmartSuite, Desktop On Call (Systemmanagement aus der Ferne über jeden Java-fähigen Internetbrowser), das oben bereits erwähnte JFS-Dateisystem, ein Taskautomatisierungs- und Erinnerungsprogramm, einen einfachen Rechner (welcher in der OS/2-Installation seit Version 2.1 fehlt) und wenigstens ein Dutzend anderer nützlicher Einrichtungen. Und das beste dabei war, daß es mich als Upgrade von meiner bestehenden Warp 4-Lizenz lediglich 139 USD gekostet hat. Zwei Fixpaks sowie Aktualisierungen von Java, Netzwerkroutinen und Treibern wurden bislang dafür herausgegeben.

Ich würde sagen, daß OS/2 über die Jahre hinweg seine Anschaffungskosten definitiv wert gewesen ist. Mit einer Investition von etwa 300$ (für das System selbst, nicht mit eingerechnet die Drittanbieteranwendungen, die ich hinzugekauft habe) konnte ich mit OS/2 über sechs Jahre lang etwa 80% meiner Computerarbeiten bewältigen. Im Durchschnitt sind das 50$ pro Jahr, und ich bin noch nicht soweit, es aufzugeben. Gerüchten zufolge wird eComStation 1.1 mit deutlich verbessertem Installationsprogramm in Kürze erscheinen (das aus eComStation 1.0 war schon schon deutlich besser als das alte von Warp 4, aber das neue wird angeblich noch besser und um einige Macken bereinigt sein). Man hört sogar, daß die Version 1.1 eine Systeminstallation auf einem JFS-Laufwerk zulassen wird (was bislang unmöglich war, weil JFS an sich nicht bootfähig ist) - aber diese Details möchte ich mir für einen späteren Artikel aufheben, wenn seitens Serenity Systems mehr Informationen dazu vorliegen.


Don ist der Entwickler der Website The 13th Floor - http://freiheit.syntheticdimension.net

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