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August 2005
Inhaltsverzeichnis
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Von Lutz Wagner © August 2005 |
Eines der in jüngster Zeit meist diskutierten Themen ist der Multimedia-PC, unter besonderer Berücksichtigung seiner Eignung für den Wohnzimmer-Einsatz. Zeitgleich mit diesem VOICE-Artikel erschien z.B. ein Artikel in c't (Heft 12/2005).
Dort, wie auch in allen anderen Berichterstattungen zu diesem Thema, findet sich keinerlei Hinweis auf OS/2 und seine (ggf. bessere) Eignung für diesen Einsatz-Zweck. Diesem Mangel soll hier im folgenden abgeholfen werden. Ich gebe hier einen Erfahrungsbericht, wie ich selbst nach langem Suchen zu einer Konfiguration kam, die alle - meine - Bedingungen erfüllt.
"Wohnzimmertauglich" bedeutet für mich: vor allem leise muß der PC sein, aber auch optisch sollte er den Ansprüchen an heutige Multimedia-Wohnmöbel gerecht werden (sog. WAF - Woman's Acceptance Factor). Er soll Musik (MP3 etc.) und Videos abspielen, und Photos soll man sich anschauen können; Internet-Surfen vom Sofa aus wäre nett, habe ich aber erst einmal hintenan gestellt.
Eine WAF-erhöhende Wirkung hat sicherlich der Verzicht auf einen Monitor, d.h. eine Grafik-Karte mit einem TV-Ausgang gehört in den Zielkatalog.
Nicht zu meinen Zielen gehört das Aufnehmen von Fernsehsendungen oder anderer Multimedia-Inhalte, weil sich eine Regalbreite neben dem PC ein dedizierter DVD-Recorder befindet, der dies definitiv besser beherrscht.
So sieht die Kiste aus... Black Beauty, aber es gibt ihn auch in
Silber.
Abmessungen (BxHxT): 32 x 11,5 x 26 cm (mehr Info auf der IBKS-Homepage)
Und so sieht es bei mir im Wohnzimmer (mit einem silberfarbenen Gehäuse)
aus.
Aufgrund von Empfehlungen und Hörensagen entschied ich mich für ein Mini-ITX-System von VIA. Die durch diesen Formfaktor bedingten Gehäuse sind schnuckelig und klein, was aber nicht nur Vorteile besitzt, denn es passen nur die nötigsten Komponenten hinein: 1x CD-ROM, 1x 3,5"-Festplatte, kein Diskettenlaufwerk; 1x PCI, 2x USB 2.0, LAN, Sound und Grafik sind onboard, wobei ich LAN allerdings nicht benutzt habe.
Das letztlich zum Einsatz kommende System besteht aus folgenden Komponenten:
Komponente | Preis (EUR) | Quelle | |
---|---|---|---|
1. | Gehäuse SilverStone SST-LC06B (inkl. Netzteil) | 158,00 | Fa. IBKS, Abt. Gehäuse |
2. | Mainboard EPIA-M-10000 Mini ITX, mit CPU 1 GHz | 145,00 | Fa. IBKS, Abt. Mainboards oder direkt bei VIA |
3. | RAM (DDR-512-400) 512 MB | 76,00 | im einschlägigen Fachhandel (in meinem Fall Fa. Atelco ) |
4. | CPU-Kühler Verax A1-65201237-KT (Art.No. 0200234) (zum Austausch des zum Board gehörenden EPIA-Lüfters, der zwar kein "Brüller", aber für meinen Geschmack zu laut ist) | 60,80 | VERAX Ventilatoren GmbH |
5. | Festplatte 160 GB (Samsung SP1604N P80, Par.ATA) | 79,00 | im einschlägigen Fachhandel |
6. | DVD-ROM Samsung | 25,00 | im einschlägigen Fachhandel |
7. | USB 2.0-Cardreader 8-in-1 (anstelle eines Disketten-Laufwerks) | 19,90 | im einschlägigen Fachhandel |
8. | Soundkarte Soundblaster Live. Die PCI-Karte wurde mittels einer Riser-Card, die dem Gehäuse beilag, installiert. | 12,00 | ersteigert bei eBay |
9. | Funk-Maus/Tastatur (Reichweite knapp 3 m) | 45,00 | im einschlägigen Fachhandel |
Gesamtpreis Hardware | 620,70 |
Als Betriebssystem kommt eComStation 1.2 zum Einsatz. Installiert wurde direkt von CD-ROM. Es gab keinerlei Schwierigkeiten, ein Riesenfortschritt gegenüber eComStation 1.0. Die SB Live Soundcard wurde standardmäßig erkannt (zu dem Onboard-Soundchip lag zwar sogar ein OS/2-Treiber bei, es gab aber einige Probleme, zu deren Lösung ich keine Lust hatte, da ich davon ausging, daß eine Soundblaster Live ohnehin bessere Klang-Qualität liefert).
Der Onboard-Grafikchip wurde problemlos erkannt und wird bis zu einer Auflösung von 1280 x 1024 in 16 Mio. Farben unterstützt. Besonders hervorzuheben an der Grafik ist der TV-Ausgang, der im BIOS speziell aktiviert werden kann/muß, mit dem Ergebnis, daß das TV-Bild recht stabil und kontrastreich erscheint. Man sollte zuvor die Bildschirmauflösung in eComStation auf 800 x 600 verringern, denn dafür ist der TV-Ausgang optimiert.
Nicht allein durch die verringerte Bildschirmauflösung ist die Programm-Bedienung via Fernseher dennoch mühsamer als via Computer-Monitor, was insbesondere daran liegt, daß die üblicherweise für Menü-Texte verwendete Schriftgröße zu klein für die grobe Pixelung des Fernseh-Monitors ist. Aber dazu gibt es einen Software-Workaround (s. 'Hoppla'), so daß man letztlich doch mit der Bedienung mittels TV prima auskommen kann.
Eine der zu beachtenden Konsequenzen der geringen Gehäuse-Größe ist die Begrenzung der Laufwerke: genau 1x 3,5 Zoll Festplatte sowie 1x 3,5 Zoll DVD-ROM. Also die Platte möglichst auf Zuwachs dimensionieren, weil der Einbau der Festplatte handwerklich aufwendiger ist als beim normalen ATX-Gehäuse!
Ich habe mich für 160 GB entschieden, das mag die nächsten 2 - 3 Jahre reichen. Formatierung wie folgt (im Rahmen der Installation):
Das EPIA-Board mit dem aufgelöteten VIA-Prozessor leistet 1 GHz - heutzutage nicht zum Totlachen, aber zum Abspielen von MP3s und MPG-Videos (auch ruckelfrei) ist die Leistung mehr als ausreichend. Subjektiv hatte ich bisher keinerlei Gefühl, mehr Prozessor-Leistung zu benötigen.
Vor allem dank des JFS-Dateisystems ist der Rechner sehr schnell nach dem Einschalten betriebsbereit, ein Umstand, der gerade für ein Gerät zum Musikhören nicht zu unterschätzen ist (bei HPFS würde der Bootvorgang recht lange dauern, vor allem da das initiale Prüfen der 160 GB allein fast 4 Minuten dauern würde (Zahlen aus vergleichbarem Athlon-System)).
Und das Gerät ist wirklich sehr leise. Der CPU-Lüfter von Verax ist zwar mit 60 EUR ziemlich teuer, aber nach meiner Überzeugung die Ausgabe wert: er ist schlicht unhörbar. Ebenso die Samsung-Festplatte, die zwar nicht vollkommen lautlos, aber dermaßen geräuscharm ist, daß man schon im Abstand von 2 m praktisch nichts mehr hört.
Und der WAF? Über Geschmack läßt sich zwar immer streiten, aber letztlich sieht das Gerät aus wie eine x-beliebige moderne Komponente im HiFi-Regal (wo es auch steht); die meisten HiFi-Verstärker sind voluminöser. Nur Tastatur und Maus erscheinen etwas ungewohnt. Aber der Leser möge sich selbst ein Bild von der Optik machen.
Die Box, so wie oben dargestellt, ist ein Wohnzimmer-/Musik-Möbel, kein PC! Man muß diese Sichtweise einfach verinnerlichen, dann gibt es auch kaum Akzeptanz-Probleme beim Ehepartner.
Die eingesetzte Software fängt mit dem Betriebssystem an. Wie gesagt, es handelt sich um eComStation, Version 1.2. Obgleich auch die gegenüber früheren OS/2-Versionen verbesserte Multimedia-Grundausstattung hier Erwähnung verdiente, ist es doch in erster Linie die herausragende Leistung des JFS-Dateisystems, die eComStation in besonderem Maße als Plattform für einen Multimedia-PC geeignet erscheinen läßt. Dazu gehört nicht nur der Wegfall praktisch aller Größenbegrenzungen (liegen alle im Terabyte-Bereich), sondern vor allem in der Boot- Geschwindigkeit: Das hier vorgestellte System mit 160 GB ist nach 40 Sekunden spielbereit. Das ist zwar immer noch länger als die Einschaltdauer eines Fernsehers und DVD-Players, aber eine dramatische Verbesserung gegenüber meinen früheren Erfahrungen (s.o.).
Und 40 Sekunden braucht's auch, bis das Sofakissen aufgeschüttelt und der Rotwein eingeschenkt ist, eher kann das Easy-Listening sowieso nicht beginnen.
Zum Thema Betriebssystem gehört auch der Problemkreis APM (Advanced Power Management). Mit eComStation 1.2 ist auch die APM-Unterstützung besser geworden, jedenfalls kann man das Gerät Software-gesteuert komplett ausschalten: mittels WPS-Funktion Systemabschluß | Ausschalten. Das in eComStation 1.2 integrierte eStylerLite besitzt einen Befehl shutdown.exe. Diesen kann man auf einen graphischen Druckknopf der 'Hoppla'-Oberfläche legen und so bequem mit einem Mausklick das System nicht nur herunterfahren, sondern ausschalten. Eine Kleinigkeit zwar nur, aber es trägt doch zur Eleganz des Gesamtsystems bei, daß man "vom Sofa aus" auch die ganze Kiste wirklich ausschalten kann. Der heutige Mensch ist nun mal "Fernbedienungs-driven".
Aber das OS allein spielt noch keine Musik, zeigt auch keine Videos. Dafür braucht es Anwendungs-Software. In meinem Falle die folgenden Programme:
Musik | MP3-Datenbank CDMagic |
Video | WarpVision |
Photos | Bilddatenbank Calydos/PMView |
TV-freundliche Oberflächensteuerung | Hoppla |
Für die Verwaltung meiner ca. 60 GB umfassenden MP3-Musik setze ich CDMagic ein. Da ich selber auch Autor dieses Programms bin, verkneife ich mir an dieser Stelle einen "Jubel-Beitrag", sondern verweise auf einen Test-Bericht, der beim Team OS/2 Region Trier nachzulesen ist. Achtung: Der Test-Bericht ist schon etwas älter, vieles hat sich inzwischen weiterentwickelt.
Hier einige Bildschirmphotos der aktuellen Version (vergrößerte Ansicht per Mausklick):
Start-Bildschirm | Track-Liste | Album-Liste | Cover-Panel |
---|---|---|---|
Die Darstellung des Themas Musikhören wäre unvollständig ohne die Erwähnung der MP3-Playerprogramme z! und PM123 sowie der Multimedia-I/O-Procs MMIOMP3. CDMagic selbst hat keine MP3-Funktionalität, zum Abspielen kann der Benutzer eine der oben erwähnten Player wählen, die dann quasi als Plug-In verwendet werden.
Ich denke, ich verfalle hier nicht in unerlaubten Subjektivismus, wenn ich den meines Erachtens größten Vorteil einer Computer-basierten Technologie des Musikhörens erwähne: einen bestimmten Titel aus meinem viele tausend Alben umfassenden Musik-Bestand herauszusuchen und auf die Boxen zu werfen, dauert gerade einige Sekunden. Man findet garantiert jedes Stück, jedes Album, jeden Interpreten, egal, ob es auf seinen Original-Alben oder auf einer "Best-Of"-Kompilation veröffentlicht wurde.
Die zweite wichtige Multimedia-Säule neben Musik ist Video. Und in diesem Bereich - da sind sich wohl alle einig - führt in der OS/2-Welt an WarpVision kein Weg vorbei. Video-Dateien aller Art spielt dieses Programm ab. Leider nicht ganz problemlos, denn es kommen immer einmal Dateien vor, die WarpVision nicht korrekt abspielen kann oder bei denen der Ton wegbleibt. Aber das sind Ausnahmen und an dem Programm (ein Netlabs-Projekt) wird ständig weitergearbeitet.
Und für "Notfälle" steht ja auch noch der DVD-Player im HiFi-Rack...
Klassische Wohnzimmeraktivität ist - neben Musikhören und Videogucken - auch das Betrachten von Photos. Während noch meine Großeltern das schweinsledergebundene Album auf dem Tisch ausbreiteten, können ihre Nachfahren der Digital-Generation darüber nur milde lächeln. Nun, auch mit OS/2 ist das Anschauen von Urlaubs- und anderen Bildern im trauten Familienkreise überhaupt kein Problem. Ähnlich wie bei WarpVision dürfte auch hier Einigkeit bestehen, daß der beste OS/2-Bildbetrachter PMView heißt. Auf meinem Wohnzimmer-PC kommt PMView Pro zum Einsatz (mittlerweise preisreduziert: nur noch 39.00 US$; ist wirklich ein tolles Programm).
Die Funktion des "Albums" nimmt bei mir das Bilddatenbank-Programm Calydos ein (obgleich auch PMView eine leistungsfähige Slide-Show-Funktion besitzt). Kurz gesagt verwaltet Calydos meine gesamten Bilddateien in allen möglichen Verzeichnissen, es bietet eine schnelle Suchfunktion, um blitzschnell ein bestimmtes Bild wiederzufinden. Die eingebaute "Gallery"-Funktion mit selbstablaufender "Dia-Show" ist wie geschaffen für die Anwendung auf einem TV-Monitor, allerdings ist das Programm insgesamt z.Zt. noch nicht besonders TV-bedientauglich, aber daran wird gearbeitet.
Auch Calydos ist eine Eigenentwicklung, deswegen hier keine weiteren Ausführungen, nur ein paar Bildschirmphotos (vergrößerte Ansicht per Mausklick):
Image-Browser mit Vorschau-Bild | Image-Gallery | Datenbank-Liste |
---|---|---|
Die Abkürzung steht für "Home Programmable Program Launcher" (der Freund meiner Tochter sagte mir, er fände den Namen "cool", also habe ich ihn so belassen).
Es handelt sich dabei um eine graphische Oberfläche zum Starten der Multimedia-Funktionen Musik, Video, Photos. Der eigentliche Witz an dem Programm ist, daß es:
Zu den Möglichkeiten der Anpassung zählen:
Sinn und Zweck ist es, die graphischen Druckknöpfe so groß zu gestalten, daß man sie bequem auf dem TV-Monitor auch noch in drei Metern Entfernung gut ablesen kann. Die Druckknöpfe werden mittels Mausklick oder (definierbarer) Funktions-Taste aktiviert.
Man konfiguriert sich zunächst sein ganz persönliches Hoppla-Look&Feel, dann legt man den Hoppla-Programmaufruf in den Ordner Systemstart.
Das hat den Effekt, daß beim nächsten Einschalten des Gerätes (sowie - nicht vergessen - des Fernsehapparates) auf dem TV-Schirm eine echte Home-geeignete Multimedia-Oberfläche erscheint, die endgültig vergessen läßt, dass hier ein Computer (iiih pfui...!) im Wohnzimmer steht.
So sieht der gesamte Multimedia-Gerätepark insgesamt aus (nur die Lautsprecher-Boxen befinden sich rechts und links außerhalb des Bildes).
(Vergrößerte Ansicht per Mausklick)
Im Vordergrund sieht man Tastatur und Maus, beide per Funk-Controller angeschlossen, mit einer Reichweite von knapp 3 m. Diese reicht aus, um bequem vom Sessel aus (schwarz, im Vordergrund links ist die Armlehne noch sichtbar) die Anwendung zu bedienen, d.h. Musik-Titel auszuwählen, Playlisten zu verwalten oder ein Video abzurufen.
Die Maus rollt ganz gut auf dem Marmortisch ab, aber wenn meine Frau gerade nicht zuschaut, nehme ich doch gern ein Mousepad zu Hilfe. :-)
Aber wo ist er denn nun, der eComStation-Multimedia-PC?
Fahren Sie mit der Maus über das Bild und achten Sie auf die Text-Fähnchen am Mauszeiger. Achtung: Der große schwarze Kasten oben rechts im Bild: das ist er nicht!
Das hier vorgestellte Hard-/Software-System als Wohnzimmer-Möbel: es funktioniert - mit Einschränkungen.
Mein Anliegen war es zu demonstrieren, daß mit einem modernen OS/2 - eComStation 1.2 - die Nutzung moderner, speziell auf Wohnzimmer-Einsatz zugeschnittener State-of-the-Art-Hardware möglich ist. Das - so denke ich - ist gelungen. Nun - die Einschränkungen? Sie sind gewiß nicht größer als bei jedem anderen "Multimedia-PC", egal, auf welchem Betriebssystem er basiert.
Die Einschränkungen werden sicherlich von den meisten Menschen ganz unterschiedlich gewertet. Dort, wo sie Software-technischer Natur sind, kann man sie zumeist weg-programmieren. Zu den Hardware-basierten Einschränkungen gehört wohl in erster Linie die Bedienung über einen TV-Monitor, die einen Kompromiß zwischen Bequemlichkeit und Detailliertheit der Programm-Bedienung erzwingt.
Die ewige Behauptung, OS/2 eigne sich nur für den Einsatz bei Banken und Versicherungen, dürfte endgültig widerlegt sein.
Daten und Quellen:
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