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Dezember 2001
[Inhaltsverzeichnis]
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Von Menno Willemse © Dezember 2001, Übersetzung: Thomas Klein |
In diesem Jahr fand Warpstock Europe in der belgischen Universitätsstadt Diepenbeek
in der Nähe von Hasselt statt. Da das von meiner Haustür aus nur eine dreistündige Fahrt
bedeutet, entschloß ich mich dazu, dorthin zu fahren und die Katholieke Hogeschool
Limburg einmal zu besuchen. Die Fahrt ging relativ glatt vonstatten und ich fand
den Veranstaltungsort ohne größere Probleme. Wenn man einfach der Beschilderung nach
Diepenbeek folgt, trifft man früher oder später automatisch auf einen entsprechenden
Wegweiser zum Universitätsgelände. Am Eingang zu einem der Gebäude hatte man einen
Hinweis befestigt auf dem "Warpstock hier lang" zu lesen war. Da ich im
Voraus reserviert hatte, ging die Abfertigung sehr schnell. Fast unmittelbar danach
lief mir Bob St. John über den Weg, der also scheinbar doch nicht auf den Bahamas
weilte, um seinen plötzlichen Reichtum auszukosten. Auch wenn Bob (soweit ich weiß)
keine Vorträge hielt, so war es doch einmal sehr schön, dem Namen, den ich schon
vielfach in diversen Foren gelesen hatte, auch einmal ein Gesicht zu geben (das
Foto ging leider bei einem SmartMedia-Zwischenfall verloren - aber dazu später
mehr).
Ich beschloß, zunächst eine Zeit lang durch den Gebäudekomplex zu streifen.
Mehrere Aussteller waren anwesend. Innotek zeigte die neue Virtual Machine für
OS/2. Ich selbst konnte eine Vorabversion dabei beobachten, wie sie Windows XP
im Fenster ausführte. Wie der Name es schon vermuten lässt, ist 'Virtual PC'
eben genau das - es emuliert einen PC mit einem bestimmten Chipsatz, Grafikkarte
und Netzwerkadapter, unabhängig von der eigentlich verwendeten Hardware. Man kann
bestimmte Verzeichnisse in OS/2 als gemeinsam benutzte Laufwerke definieren, so
daß ein Datenaustausch zwischen den beiden Systemen möglich wird. Während eines
späteren Vortrags erwähnte Achim Hasenmüller, daß Virtual PC in der Lage sein wird,
jedes Betriebssystem zu verwenden - mit Ausnahme von BeOS aufgrund eines Fehlers.
Von Windows 98 wurde abgeraten. Es funktioniert zwar, aber aufgrund der Tatsache,
daß '98 den Leerlauf-Kühlzyklus des Prozessors deaktiviert, um schneller zu arbeiten,
wird Ihre CPU konstant zu 100% ausgelastet sein. Ein netter Nebeneffekt bei der
Verwendung von XP unter Virtual PC ist, daß das für XP sichtbare System immer das
selbe bleibt, egal wieviele und welche Komponenten man im realen PC wechselt - so
daß also keine Neulizensierung erforderlich ist. Hoffentlich unternimmt MS keine
Schritte, um XP dahingehend zu ändern, daß es nicht unter VirtualPC läuft.
(Aber 'mal ehrlich: Würde uns das wirklich kümmern?) Innotek verkaufte Vorabversionen
zum Preis von fünfzig Euros, aber ich habe nicht zugeschlagen, weil a) mein PC für
Windows nicht schnell genug ist - noch nicht einmal ohne Emulation - und b) die
Version nur bis Anfang des neuen Jahres funktioniert, wenn die Vollversion auf den Markt kommt.
Mein erster Vortrag war der von Christian Langanke zu HyperText/2, einem
Präprozessor zur Erzeugung von INF- und HLP-Dateien. Er stellt es kostenlos zur
Verfügung in der Hoffnung, daß die Leute dadurch ansprechende Hilfedateien zu Ihren
Anwendungen liefern. Ich denke, dieses Programm deckt eine große Nachfrage. Die
IPF-Dateien (die Quelle bei der Erzeugung von INF/HLP-Dateien) sind nicht sonderlich
kompliziert. Es sind reine ASCII-Textdateien, in denen man Formatierungsangaben
wie fett, unterstrichen oder kursiv mit Hilfe von 'tags' angibt - sehr ähnlich wie
in HTML. Allerdings ist es eine immense Arbeit, eine gute Hilfedatei aufzubauen.
Die Eingabedatei für HyperText/2 sieht viel sauberer aus und produziert auch ein
viel schöneres Ergebnis mit einem Infofenster mit Index auf der linken Seite und
den Inhalten rechts. Wenn Sie in irgendeiner Form programmieren, sollten Sie es
unbedingt 'mal ausprobieren.
Der nächste Punkt auf meiner Tagesordnung lautete dann erst 'mal "Mahlzeit!".
Selbige gab's in der Mensa der Uni. Es war recht ordentlich, allerdings bekam man
die komplette Mahlzeit auf ein Mal, d.h. wenn man mit der Vorspeise fertig war,
war das Hauptgericht schon wieder kalt. Erfahrene Mensaesser essen die warmen Sachen
zuerst.
In meinem nächsten Vortrag ging es um Golden Codes Trace Suite. Dabei handelt
es sich um eine Zusammenstellung von Hilfsprogrammen, die wirklich beim Lösen von
Problemen helfen. Der Hersteller vergleicht ein Arbeiten ohne diese Werkzeuge mit
einer Schießerei in stockdunkler Nacht. Im Wesentlichen bestehen die Werkzeuge aus
einem Netzwerküberwacher, ein Kernelüberwacher (damit erkennt man, was Netscape
eigentlich anstellt während der augenscheinlich meditativen Phasen) und dem
Auswertungsprogramm. Der Netzwerküberwacher ist ein angenehm kompaktes Stück
Software, daß sich in den NDIS-Treiber einklinkt und alles mitschreibt, was sich
im Speicherpuffer der Netzwerkkarte abspielt und das dann in einer Datei abgelegt
werden kann. Der Kernelüberwacher macht dasselbe für die Aktivitäten im Kernel.
Diese Dateien können dann mit Hilfe des Auswertungsprogramm (welches übrigens in
Java programmiert ist) analysiert werden. Die meisten Netzwerkprotokolle können
angezeigt werden. So zeigte uns Greg beispielsweise die Aufzeichnung einer Sitzung
des Webbrowsers. Das ist genau die Art von Werkzeug, die ich auf meinem tragbaren
System brauche, um diesen schwer auffindbaren Problemen auf die Spur zu kommen. Ich
frage mich, ob ich es nicht 'mal meinem Chef an's Herz legen sollte...
Zur Auswertung der Kernelaktivität wollte ich dann aber nicht bleiben, weil ich
noch unbedingt zu Starfires Vortrag über Titan wollte. Titan ist eine Verwaltungssoftware,
die - sofern sachgerecht eingesetzt - den Systemadministratoren eine Menge Arbeit
abnehmen kann. Dreh- und Angelpunkt des Produkts ist eine Datenbank mit Prozeduren
zur Systemadministration für eine Vielzahl an Plattformen, darunter Windows, AIX
und natürlich auch OS/2 (wozu wäre man sonst auch zur Warpstock gekommen?). Alle
Aktionen sind browserbasiert und zur Sicherheit SSL-verschlüsselt. Starfire merkt
sich alle Änderungen an einem System. Eine sehr nette Funktion ist, daß Rechner,
die einen Befehl nicht erhalten, weil sie gerade ausgeschaltet oder abgestürzt sind,
sich den Befehl quasi "merken" und ihn ausführen, sobald sie wieder online sind.
Ein Schwachpunkt bei der Geschichte ist, daß wenn Starfire einmal im Einsatz ist,
man tunlichst nicht mehr die Originalprogramme und -tools zur Verwaltung einsetzen
sollte, weil der Rechner dann nicht mehr zu den Informationen über ihn in der
Datenbank zusammenpaßt... was zu unvorhersehbaren Problemen führen kann. Am Ende
des Vortrags gab es für jeden Zuhörer ein T-Shirt!
Der Vortrag zu Virtual PC beendete dann die Freitagsveranstaltung und ich machte
mich auf die Suche nach meinem Hotel. Man hatte mir erzählt, daß Hasselt die höchste
Kneipendichte in ganz Europa besäße - und ich glaube, das stimmt. Es ist unmöglich,
in Hasselt spazieren zu gehen ohne zumindest eine Kneipe im Blickfeld zu haben.
Übrigens ist Belgien zu Recht berühmt für sein Bier. Es war ein schöner Abend.
Morgengrauen. Kurze Dusche, Frühstück und ab nach Diepenbeek. Der erste Vortrag
des Tages drehte sich um die ganzen neuen Sachen in MCP2 und ACP. Es scheint, daß
die meisten Sachen im verborgenen stattfinden. Neue Treiber, neue Kerneloptimierungen
und so weiter. Außerdem wurde noch ein Zeitplan bekannt, nachdem IBM im Jahre 2006
das Ziel der vollständigen Plattformunabhängigkeit erreicht haben will - was immer
das auch heißen mag. Es klang alles in allem nicht gerade hoffnungsvoll, aber auf
der anderen Seite ist IBM ja auch nicht für seinen glühenden OS/2-Enthusiasmus
bekannt. Nicht seitdem David Barnes das letzte Mal gesehen wurde. (Ich frage mich,
was er jetzt macht.)
Der nächste Vortrag wurde von Rainer Feuerstein und Alain Rykaert gehalten.
Rainer ging ziemlich in's technische Eingemachte und zeigte uns Unmengen REXX-Code.
Begreift es, Leute! Das Publikum interessiert sich NICHT für irgendwelchen
Quellcode; außer im Rahmen eines Vortrags über Entwicklung! Alain hat dann
übernommen und zeigte uns das Material, mit dem er 60.000 Installationen bei der
France Telecom durchgeführt hat. Es bestand aus einer zentralen Datenbank mit
Konfigurationsinformationen, die sich irgendwo im Netz befand und einer sorgfältig
vorbereiteten bootfähigen CD. Ich befürchte, daß sämtliche Installationsroutinen
der IBM gezielt umgangen wurden. Es partitionierte (mit LVM) und formatierte die
Festplatte und dekomprimierte dann vorgefertigte Images darauf. TCP/IP wurde durch
vorsichtiges Hacken der Konfigurationsdateien mittels eines REXX-Skripts namens
CUBE erreicht, mit dem man von der Kommandozeile aus Dateien bearbeiten kann.
Obwohl er parallel dazu noch seine Arbeitsschritte erklärte, benötigte Alain nur
knappe 15 Minuten um einen voll funktionsfähigen Aurora Server zu installieren,
was schon ziemlich schnell ist! Was mir aber am nachhaltigsten in Erinnerung
blieb, war der Enthusiasmus, mit dem Alain das Produkt beschrieb, mit dem er dort
arbeitet.
Nach dem Mittagessen ging ich zu Kim Cheungs Vortrag über das Verwenden von
REXX-Skripten aus C-Programmen heraus. Das ist sehr nützlich, wenn man ein Programm hat,
das durch Skripte aufgewertet werden kann. Beispielsweise könnte man damit ein
E-Mail-Programm schreiben, das automatisch die letzten Neuigkeiten an alle Freunde
verschickt... ach nee, gibt's ja schon. Kim zeigte uns, wie man aus C-Programmen
heraus REXX-Skripte startet, wie man Parameter an das REXX-Skript übergibt und
Variablen zwischen C und REXX gemeinsam nutzbar macht. Obwohl es sich bei REXX um
eine interpretierte Sprache handelt, scheint dies nicht zu bedeuten, daß es auch
zwangsläufig langsam ist. Kim zeigt ein Beispiel mit ca. 3000 gleichzeitig laufenden
Threads. Ziemlich beeindruckend für ein Notebook.
Der letzte Vortrag an diesem Tag behandelte XWorkplace, einen frei erhältlichen
Aufpepper für die Workplace Shell - übrigens in einer neuen Version, frisch aus
dem Compiler. Der Vortrag wurde von Ulrich "DJ Mutex" Möller gehalten.
Sowohl Herr Möller als auch XWorkplace haben mich sehr beeindruckt. Selbst im
augenblicklichen Stand "intensivster Entwicklung" sieht es doch schon durchaus
serientauglich aus. Es unterstützt mehrere Sprachen, verwendet den WarpIn-Installer
und ist extrem gut dokumentiert - sowohl auf der Website (www.xworkplace.org) als
auch im Quellcode selbst. Ulrich ist einer der Leute, die die Workplace Shell in-
und auswendig kennen und trotzdem nicht dem allgemeinen schlabberigen Dokumentationstrend
verfällt, dem wir nichtssagenden, schwammige Definitionen verdanken.
Heute nutzte ich außerdem die Gelegenheit, Mensys und den diversen Team OS/2
Vereinen aus unterschiedlichen deutschen Regionen einen Besuch abzustatten. Ich erstand ein
wenig Software für e-Business (Apache, MySQL, PHP, Perl) und einige Hilfsprogramme
für den Palm. (Ich muß irgendwann 'mal ein Backup von diesem Teil machen.)
Schließlich fand am Samstag auch die große Bierparty, pardon, der Gesellschaftsabend
statt. Es spielten eine Band, die hauptsächlich aus Leuten von Mensys und dem HCC
bestand, und eine Blues Band. Roderick Klein wurde dabei beobachtet, wie er während
des Ganzen eCS auf seinem Notebook installierte! Roderick, um Gottes Willen! Es
ist doch *Partyzeit*! (Mary Spurlock, wenn Du das liest: Ich habe ein nettes Foto
von Dir. Mail' mir, wenn Du Interesse hast.) Ich blieb nicht allzu lange. Da ich
ja noch ins Hotel zurück mußte, verbrachte ich den Abend größtenteils in Gesellschaft
antialkoholischer Getränke. Ich beendete ihn aber mit einem schönen Palm im Hotel.
[Anm.d.Hrsg.: Ein Palm ist eine Biersorte.]Danach: Bett.
Der nächste Vortrag behandelte das Thema, wie USB-Geräte aus normalen Programmen
heraus verwendet werden können. Markus erkläre, wie man eine Verbindung zu USB-Geräten
aufbauen kann und demonstrierte es am Beispiel eines USB-Radios.
Der letzte Vortrag drehte sich um die Entwicklung von USB-Treibern für alle Arten
von Geräten. Ich befürchte, ich konnte Markus da dann doch ziemlich schnell nicht mehr
folgen. Ich wüßte gerne mehr darüber, wenn auch nur um ein PlugIn
für Netdrive zu schreiben, welches die USB-Massenspeichergeräte abdeckt, die sich
an die andere Hälfte des Standards halten, den OS/2 erfüllt.
Der letzte Vortrag (nach dem Mittagessen) wurde von Kim gehalten. Er zeigte einen
Arbeitsplatz ohne Laufwerke und die Hilfsprogramme, die er bei Serenity geschrieben
hatte (oder dabei geholfen hatte), um diesen PC über Netbeui oder TCP/IP aus der
Ferne zu starten. Dann installierte er verschiedene Anwendungen auf diesem PC, indem
er sie einfach auf das entsprechende Symbol für den Rechner im Fenster des WiseManager
zog. (Aber wer will denn schon XWorkplace und Object Desktop ?) Jedenfalls
zeigt das, daß die WiseMachine, welche man im Rahmen von eCS erhält, eigentlich
nur ein Teil eines viel größeren Produkts ist.
Nach dem Ende der Präsentation ging ich zum Stand von Mensys auf der Suche nach eventuellen Räumungsangeboten. Ich bemerkte, daß dort AOpen Soundkarten mit Crystal Labs Chipsatz angeboten wurden, die unter OS/2 sehr gut unterstützt werden, und ich kaufte ein Exemplar für meinen nächsten Rechner. Dann sah ich Daniela Engert und erhielt eine Originalkopie ihres DANIS506-Treibers von ihr, mit dem ich mein Thinkpad endlich dazu bekommen würde, die SmartMedia-Karten meiner Kamera mit einem PCMCIA-Adapter lesen zu können. Es funktioniert übrigens zauberhaft, allerdings muß man die Karten immer sehr vorsichtig behandeln und grundsätzlich immer den Befehl zum "AUSWERFEN" verwenden, will man sie entfernen. Das trifft auch dann zu, wenn man nur lesend auf die Karte zugreift. Ich befürchte, daß ich die Karten einmal zu schnell getauscht habe und mir damit die FAT der Karte zerstört habe, auf der sich meine sämtlichen Warpstock-Fotos befanden. Das einzige, was ich mir ansatzweise noch vorstellen kann, ist, daß OS/2 gerade dabei war, das Datum des letzten Zugriffs von einer Karte auf die andere zu schreiben und daß dies zur Beschädigung der FAT geführt hat. Glücklicherweise gelang es mir, die meisten der auf der Karte enthaltenen Fotos (besonders das von Daniela) wiederherzustellen, indem ich CHKDSK für das Kartenlaufwerk durchführte.
Danach beschloß ich, nach Hause zu fahren. Es war eine schöne Veranstaltung. Ich
hatte die Gelegenheit, bemerkenswerte Leute zu treffen und von ihren Erfahrungen zu
profitieren. Ich bin ein wenig besorgt bezüglich der Präsentationen der Firmen.
Ich vermute, daß es guter Geschäftssinn ist, das drohende Ableben von OS/2
einzukalkulieren, aber eine etwas konstruktivere Einstellung hätte ich eher begrüßt.
Im großen und ganzen waren die besten Veranstaltungen die, die von OS/2-Anwendern
gehalten wurden. Es ist gut, ihren Enthusiasmus für das OS/2 Betriebssystem (und
dessen Derivate) zu sehen. David Barnes hat dies schon vor Jahren auf den Punkt
gebracht, als er sagte: Es sind die Anwender, die OS/2 in Saft und Kraft
halten. Die Anwender werden das Produkt nicht sterben lassen.
Also dann bis Warpstock Europe 2002!
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