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August 2001
[Inhaltsverzeichnis]
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Von Michal Necasek © August 2001, Übersetzung: Carsten Kettner |
Vor zehn Jahren war die Welt von OS/2 deutlich anders als heute. Zum einen gab es nicht nur IBM OS/2 - Microsoft OS/2 war ebenfalls erhältlich. Sogar nach der Trennung von MS und IBM verkaufte Microsoft nach wie vor OS/2 Version 1.3, die hauptsächlich von IBM entwickelt wurde (das Microsoft Top-Management hatte schon längst das Interesse an OS/2 verloren). OS/2 Version 1.3 war fast identisch mit OS/2 1.2 soweit es die technischen Grundzüge betraf, aber es enthielt eine Anzahl von Leistungsoptimierungen und einige Benutzungserweiterungen. Die Ähnlichkeit von OS/2 1.2 zu 1.3 ist dadurch begründet, daß fast alle OS/2-Anwendungen dieser Zeit auf beiden Versionen liefen - obwohl sie in IBM/MS-"Tradition" normalerweise die Versionen 1.21 bzw. 1.31 benötigten, weil die ursprünglichen Ausgaben zu wackelig waren.
Ich möchte nun eine Tour durch OS/2 1.3 starten - das war die OS/2-Version von vor 10 Jahren. Meines Wissens gab es 1991 drei erhältliche OS/2-Pakete:
Ich habe mich auf die Basisversion von OS/2 konzentriert, namentlich MS OS/2 1.31. Microsoft positionierte es als ein Server-BS (zur Erinnerung: 1991 war Windows NT noch in weiter Ferne und DOS ist keine echte Server-Plattform) und die OEMs bundelten es häufig mit dem MS LAN Manager - was MS/IBMs (meistens pathetische) Antwort auf Novell NetWare war. Zu bemerken sei, daß die Basiskonzepte und große Teile der Benutzer-Schnittstelle (z.B. das NET-Kommando) immer noch in zumeist unveränderter Form in den heutigen Ausgaben von sowohl Microsoft als auch IBM vorhanden sind.
Nun wollen wir mal einen Blick auf das Paket werfen: MS
OS/2 1.31 befindet sich auf 10 3.5" HD-Disketten. Diese enthalten das Basis-Betriebssystem,
den Presentation Manager, Schriftarten, Grafikkarten- und Druckertreiber
(jedoch in nicht großer Auswahl). Es gab keine Netzwerk-Unterstützung
im Basispaket - man konnte entweder einen kompletten LAN Manager bekommen
(einschließlich einigen Goodies wie HPFS368) oder nur den LAN Manager
Client (der wahrscheinlich immer noch auf MS' FTP-Server liegt [Das stimmt in der Tat! - Anm.d.Hrsg.]).
Mal sehen, was OS/2 1.3 schon hatte:
Nebenbei: Die DOS-Unterstützung in OS/2 1.x war technisch
sehr interessant. Der 286er-Chip war nicht dafür ausgelegt, Real Mode-DOS-Programmen
die Virtualisierung zu erlauben (anders als der 386er). Die Intel-Entwickler
hatten wahrscheinlich keine Ahnung, daß DOS sich so lange halten
würde (das Wort "Pest" drängt sich geradezu auf) und erwarteten,
daß es durch full-protected Betriebssyteme ersetzt werden würde. Also
unterstützte der 286er den Real Mode und den Protected Mode, aber
keine einfache Möglichkeit, zwischen beiden hin- und herzuschalten.
Das Umschalten vom Real zum Protected Mode war einfach (gerade mal ein
bißchen herumschalten im Machine Status Word (MSW), einem CPU-Register
auf dem 286er und neueren Chips), aber es gab keinen Weg zurückzuschalten
- nun ja, keinen einfachen Weg. Bekanntlich können Ingenieure manchmal
ziemlich schlau sein und kümmern sich nicht um Dinge, die "nicht gemacht
werden können". Einer dieser Ingenieure ist Gordon Letwin (einer der
ersten 10 Microsoft-Arbeitnehmer, Chef-Entwickler von OS/2 auf Seiten von
Microsoft und Entwickler von HPFS neben anderen Errungenschaften), der
ein Workaround für dieses Problem fand. Dieses ist durch einen erzwungenen
Hardware-Reset auf der CPU implementiert (entweder durch Einsatz eines
Schaltkreises außerhalb der CPU oder durch eigenständiges Zurücksetzen
durch dreifachen Fehler) - nach dem Neustart starten alle Intel x86 CPUs
im Real Mode. Diese Methode wurde als "Ein- und Ausschalten des Autos zum
Schalten bei 60 Meilen pro Stunde" bezeichnet und wurde standardmäßig
mehr oder weniger erfolgreich von OS/2 1.x, Windows/286 und Windows 3.x
durchgeführt. Der 386er bietet eine viel bessere Real Mode-Unterstützung
(durch den virtuellen 8086-Modus).
Ich installierte OS/2 auf einer kleinen 512MB HPFS-Partition (es sieht so aus, als gäbe es ein Problem mit Partitionen größer als ein 1GB - denken Sie daran, daß 1991 die typische Festplatte sicherlich kleiner als 100MB war). Die Installation verlief ziemlich glatt, obwohl es nicht so viel zu installieren gab. Die unterstützen Grafiktreiber waren auf Standard CGA/EGA/VGA/XGA limitiert (einige Hersteller damals hatten Treiber für hohe Auflösungen für ihre Hardware) und Multimedia-Unterstützung gab es nicht. OS/2 1.3 hatte keine Probleme mit meiner PS/2-Maus.
OK, nun wollen wir mal ein paar Bilder ansehen. Dies ist die OS/2 1.3 Standard-Arbeitsoberfläche:
Ziemlich langweilig, nicht? Beachten Sie das DOS-Icon in der linken unteren Ecke. Es war immer vorhanden, weil die DOS-Box immer geöffnet war - obwohl die DOS-Box solange nicht lief, bis sie in den Vordergrund (also Vollbild) kam. Genauso lief auch der Drucker-Manager immer. Die Schnittstelle ähnelte sehr stark Windows 3.0 sowohl grafisch (die GUI-Objekte) als auch konzeptionell - es gab keine erwähnenswerten Verzeichnisse, nur Programmgruppen, die Programmicons enthielten. Der einzige "große" Unterschied bestand darin, daß die Shell nicht als Programm-Manager wie in Windows, sondern Arbeitsplatz-Manager bezeichnet wurde:
Es lagen OS/2 keine schlauen kleine Anwendungen wie Solitär bei. Eins der wenigen mitgelieferten GUI-Programme, das der Datei-Manager, der seinem Windows-Widerpart etwas ähnelte:
Heutigen Benutzer von OS/2 (oder eComStation) könnten einige treffende Ähnlichkeiten zwischen OS/2 1.3 und dem zehn Jahre späteren OS/2 4.5 auffallen. Eine davon ist das Hilfe-Untersystem:
Die Konfiguration wurde mittels des Kontrollfeldes erledigt (wieder analog zu Windows). Wenn Sie sich (wie ich mich) gefragt haben, woher einige der schlechter aussehenden Diaologe, die im gegenwärtigen OS/2 immer noch vorhanden sind, herkommen, dann wissen Sie es jetzt:
Die Einfügen/Ausschneiden-Fontdialoge sind die ältesten (im wesentlichen seit OS/2 1.1 nicht geändert). Ein andere fast unveränderte Erscheinung ist die Sperren-Funktion (ich frage mich, woher dieses OS/2-Logo kommt):
Noch ein anderes bekanntes Feature (aber zeitlos, weil's nichts zu verbessern gibt) sind die Kommandozeilen-Fenster:
Und hier ist der letzte Screenshot der OS/2-Arbeitsoberfläche, der beweist, daß OS/2 schon immer ein echtes Betriebssystem gewesen ist und nicht nur eine protzige Fassade wie Windows - der Shutdown-Dialog:
Vor allem bei Nutzung des HPFS (das erstmals in OS/2 1.2 erschien) war ein sauberes Herunterfahren sehr wichtig für die Datenintegrität und zum Schutz vor ärgerlichen und langen CHKDSKs.
Wollen wir zunächst einen Blick auf MS Word werfen. Es kam auf 4 HD-Disketten und enthielt das aktuelle Word-Programm, Filter für verschiedene Text- und Grafikformate und ein Tutorial. Das Anwendungsfenster unterschied sich nicht sonderlich von dem späterer Versionen:
Beachten Sie, daß diese die seltene 1.1 'B'-Version ist, die unverändert unter den heutigen OS/2-Versionen läuft - nicht, daß sie heutzutage irgendeiner noch nutzt, aber sie zeigt, daß die Rückwärts-Kompatibilität in OS/2 wirklich bemerkenswert ist.
Wie ich bereits erwähnte, wurde Word mit einem interaktiven Tutorial geliefert, das meiner Meinung nach ganz nett ist, vor allem unter Berücksichtigung des Baujahres:
Wie die heutigen Textverarbeitungsprogramme litt Word vor zehn Jahren noch nicht so unter einer zu großer Anzahl von Funktionen, sondern war ein ganz brauchbarer Textverarbeiter - wenn man fit ist in der Word-artigen Textverarbeitung (ich bin's nicht):
Eine andere größere, für OS/2 erhältliche Microsoft-Anwendung war Excel. Auch diese war dem Windows-Pendant sehr änhnlich:
Beachten Sie die angezeigte genutzte Speichergröße - ich bin fast sicher, daß während der Berechnung manche Variable überlief, weil die ursprünglichen Entwickler dies niemals auf einer 256MB-Maschine getestet haben.
Genauso wie Word war Excel ganz brauchbar und konnte ziemlich alles, was man von einer Tabellenkalkulation erwartete:
Eine interessante Excel-Funktion war die Online-Hilfe:
Falls Sie jemals Windows 3.0 benutzt haben, sollte Ihnen das Hilfe-Fenster sehr bekannt vorkommen. Tatsächlich könnten Sie, wenn Sie nicht ganz genau hinschauen, den Screenshot irrigerweise für Windows 3.0 halten. Es sah diesem sehr ähnlich.
Microsoft war natürlich nicht der einzige Anwendungsprogramm-Hersteller. Lotus verkaufte ebenfalls eine OS/2-Version der berühmten 1-2-3-Tabellenkalkulation. Aber im großen und ganzen waren nicht viele GUI-Anwendungen verfügbar. Einige Office-Anwendungen wie Microsoft Word 5.5 (lief sowohl unter DOS als auch unter OS/2), Lotus 1-2-3 oder (ich glaube) WordPerfect gab es auch für den Text-Modus.
OS/2 1.x hat eine interessante Eigenschaft - es erlaubte den Entwicklern, "familien-übergreifende" Anwendungen zu bauen, die unverändert genauso auf DOS wie auf OS/2 laufen konnten - bedenken Sie, daß dies nicht das gleiche ist wie "gebundene" Anwendungen, die im Grunde genommen andere Executables für DOS und OS/2 enthalten. Die Familien-API war eine Untergruppe der OS/2 API. Eine Familien-Anwendung war ein OS/2-Programm (eine NE-Format-Executable), das auf OS/2 ohne besondere Rücksichten lief. Aber der DOS-Stub war ungewöhnlich groß (ungefähr 11K) und enthielt einen OS/2 API-Mini-"Emulator", der "oben auf" DOS lief. Viele OS/2-Kommandos nutzten diese Eigenschaft, genauso wie einige Microsoft-Programmiertools (Linker, Bibliothekentools etc.).
Die Familien-API war ziemlich leistungsfähig, wie der nächste Screenshot beweist:
Dies ist - ganz offensichtlich - Microsoft Word 5.5 (verstehen Sie deren Versionsnummern? Ich nicht!) für DOS und OS/2. Es ist eine familien-artige Anwendung und die Executables laufen sowohl unter DOS als auch unter OS/2. Es kann im Text-Modus und im "Pseudo-Text"-Modus laufen - einem Grafik-Modus, der so aussieht wie Text-Modus, aber kursive oder fette oder sonstige Schriftzeichen darstellen kann. Diese Textverarbeitung bietet eine interessante Möglichkeit: sie ist als ein freies Y2K-Upgrade für DOS Word 5.0-Nutzer von Microsofts Office-Webseite herunterladbar.
Eine ganze Anzahl Hersteller boten OS/2-Compiler an (C war die beliebteste Sprache). Einige von ihnen werde ich hier aufführen:
Der mitgelieferte Debugger war das klassische CodeView
(die Protected-Mode-Version - CVP). Die OS/2-Versionen von CodeView sahen
fast genauso aus wie die DOS-Versionen, es war sozusagen nicht sehr ansehnlich.
Besonders die frühen Versionen von CodeView (vor 1989) waren ziemlich
häßlich:
Schauen Sie sich die Daten im "About"-Kasten an. So viel zur Y2K-Hysterie! Die späteren Versionen von CodeView waren noch immer im Text-Modus, aber sie hatten eine etwas nettere fensterbasierende Schnittstelle:
Alle Microsoft-Sprachen enthielten auch eine umfassende Online-Hilfe und einem TSR- Hilfe-Fenster, QuickHelp:
Beachten Sie, daß diese Schnittstelle immer noch in der DOS-Version von QBASIC, das mit OS/2 geliefert wird, und in EDIT.EXE in Windows 9.x vorhanden ist.
Eine komplette 16-Bit-Programmierung war natürlich eine Strafe - wenn Sie nicht wissen, warum, dann fragen Sie auch nicht. Aber aufgrund seiner Schutzmechanismen und dem virtuellen Speicher war die Programmierung für OS/2 immer noch besser als eine Windows- oder gar DOS-Entwicklung. Viele der 16-Bit-Beschränkungen waren zwar vorhanden, aber zumindest war die Plattform stabil.
Alles in allem war WLO ziemlich vollständig. Um dies
zu beweisen, machte ich einige Screenshots von WLO-gestützten Anwendungen.
Hier ist der erste:
Dies ist tatsächlich OS/2, es ist keine Täuschung!
Und es ist auch nicht Win-OS/2. Es ist das Original MS OS/2 1.3. Natürlich
ist dies Windows Paintbrush mit einem darin geöffneten Screenshot
von Windows Write. Hier ist ein anderes Beispiel:
Lassen Sie sich wieder nicht von der Tatsache täuschen,
daß dies exakt wie Windows aussieht - es ist's nicht! In Wirklichkeit
sieht der "About"-Kasten etwas anders aus als in Windows 3.x. Dies hier
ist natürlich das überaus beliebte Solitär-Kartenspiel.
Es funktioniert auch ganz gut:
Ja, ich bin darin ziemlich gut...
Und was die OS/2-Rückwärtskompatiblität angeht, sollte es nicht überraschen, daß WLO noch heute funktioniert:
Dieser Screenshot wurde in OS/2 4.5 gemacht - es gibt
anscheinend einige graphische Pannen, aber das Hilfe-Fenster arbeitet ganz
nett. Niedlich, was?
Einige der hier vorgestellten Informationen stammen aus dem hervorragenden Buch "Inside OS/2" von Gordon Letwin, veröffentlicht 1988 von Microsoft Press.
Die meisten Screenshot wurden mit PMCamera aufgenommen, einem IBM EWS-Utility von Juerg von Kaenel. Die Text-Modus Screenshots wurden mit PMView unter Warp 4.5 erstellt.
Alle diese Informationen sind nach bestem Wissen zusammengestllt. Ich habe niemals selbst OS/2 1.x benutzt, von daher gibt es im Text sicherlich Lücken. Falls Sie aus den 1.x-Tagen stammen und noch zusätzliche Informationen haben, würde ich mich über Anmerkungen an <MichalN@prodigy.net> freuen.
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